Holger's Sammelsurium

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Spaghetti aufgedreht mit etwas Speckstückchen drüber

Carbonara Chemie

Nein, ich habe nicht vor hier auch noch mit Kochrezepten anzufangen. Das hier ist eher ein Post aus der Rubrik: “Nerdtum in der Küche” — also wie man etwas Schulchemie (und etwas zusätzliches gefährliches Halbwissen aus “dem McGee“) anwenden kann, um ein Gericht zu verbessern, das sehr oft sehr deutlich in die Hose geht: die guten alten Spaghetti Carbonara.

Ich habe irgendwann angefangen über die Soße der Carbonara als eine Mischung aus Mayonnaise bzw. Hollandaise (Ei + Fett aus dem ausgelassenen Speck) und Käsesoße (Parmesan/Peccorino) zu denken. Das Eigelb emulgiert das Fett aus dem Speck und aus dem Käse. Die Stärke aus dem Nudelwasser stabilisiert die Emulsion und verhindert zusätzlich, dass die Proteine aus Käse und Ei zu schnell klumpen. Das Prinzip kennt man vielleicht vom Käsefondue, in das man einen Esslöffel in Flüssigkeit angerührte Stärke kippt.

Ich mache daher meine Carbonarasoße zwischenzeitlich so:

3 Volleier (ich sehe keinen Grund, weswegen das Eiweiß nicht verwendet werden kann) werden in einer Schüssel mit dem Schneebesen zerschlagen. In das Ei kommt jeweils eine Handvoll sehr fein geriebenem Pecorino Romano und Parmesan. Beides wird aggressiv mit dem Ei verquirlt. Dabei entsteht eine sämige Käse-Ei-Masse und der Käse ist quasi nicht mehr als Feststoff erkennbar.

Währenddessen lasse ich den Speck langsam aus. Wenn das geschehen ist schütte ich Speck und Speckfett durch ein Sieb. Das Fett landet (je nach dem wie viel zusammen gekommen ist auch nur teilweise) in der Käse-Ei-Masse und wird wieder aggressiv verquirlt. Dabei passiert nichts anderes, als beim Mayo machen: das Lecithin im Eigelb emulgiert das Fett – das ist auch der Grund, warum weder Mayo noch Carbonara fettig sondern cremig sind. 

Nun kommt vielleicht die entscheidende Beobachtung: In Restaurants werden Nudeln nicht im frischen Wasser gekocht, sondern im “alten” Nudelwasser, das schon einen Tag auf dem Herd steht. Je mehr Nudeln – womöglich auch noch frische Nudeln an denen viel Mehl als Trennmittel haftet – darin gekocht wurden, desto mehr Stärke ist im Wasser gelöst. Da beim Zusammenfügen von Spaghetti und Käse-Ei-Masse auch immer Nudelwasser hinzugegeben wird kommt so auch ein guter Schwung zusätzlicher Stärke ins Gericht. Und genau das kann man ganz einfach “nachahmen” in dem man ein Teelöffel Kartoffelstärke in die Käse-Ei-Masse rührt. Mehl funktioniert übrigens nicht, weil Mehl bei höheren Temperaturen ausquillt als Stärke und auch ausgekocht werden muss, um den rohen Mehlgeschmack zu verlieren (siehe Béchamelsoße).

In quasi allen italienischen Nudelgerichten die ich kenne, gibt man die gekochten, aber noch sehr bissfesten Nudeln in die Soße und kocht beides bis zum gewünschten Gargrad der Nudel weiter. Hier nicht. Würde die Eiermasse (zu lange) gekocht werden, hätte man Rührei mit geklumptem Käse. Daher müssen die Nudeln bis zum gewünschten Gargrad fertiggekocht werden.

Zwei, drei Minuten bevor der erreicht ist, rühre ich eine Kaffeetasse heißes Nudelwasser in die Käse-Ei-Masse. Dabei verdünnt sich das Ganze und wird leicht warm. Den gleichen Move macht man auch beim Kochen von Creme Brulée: eihaltige Massen werden nie kalt und unverdünnt in heißere Flüssigkeiten gegeben, sie werden immer erst durch Zugeben eines Teils der heißen Flüssigkeit verdünnt und temperiert. Meine Käse-Ei-Schüssel stelle ich dabei auch auf den Nudeltopf und wärme das ganze weiter im heißen Dampf unter Rühren auf. 

Nun werden die Nudeln abgegossen. Vorher ggf. noch eine weitere Tasse Nudelwasser aufbewahren. Die Nudeln kommen zurück in den heißen Topf, der auf dem ausgeschalteten Herd steht. Nun kommt die warme Käse-Ei-Masse in den Topf und wird gut gerührt. Die in den Nudeln, Topf und Herd gespeicherte Energie sollte ausreichen, um das Ei und die Stärke zu garen. Falls nicht kann man vorsichtig etwas weiter heizen, dabei aber immer rühren und aufpassen, dass das Ganze nicht zu lange zu heiß wird. Wird die Soße zu “dick”, gibt man weiteres Nudelwasser in den Topf. 

Panik braucht man beim Köcheln der Soße aber nicht haben. Ich habe beobachtet, dass die so vorbereitete Käse-Ei-Masse außerordentlich stabil ist und überraschend viel Hitze vertragen kann. Würde man rohes Ei mit Käse in den Topf kippen, hätte man hingegen sofort brökeliges Käserührei mit Nudeln. Ich vermute, dass das Angaren des Eis auf dem Wasserbad die Ei-Proteine schon so denaturiert, dass sie nicht mehr klumpen können. Zudem ist auch Fett, Flüssigkeit und Stärke in der Soße, die beides verhindern. 

Ein letzter Tipp: Speck und Pecorino sind beide sehr salzig. Daher das Nudelwasser, von dem einiges ins fertige Gericht kommt, nicht zu stark salzen und auch ansonsten kein Salz, z.B. an die Käse-Ei-Masse, geben. 


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