Wie quasi jeder habe ich während der Pandemie angefangen Brot zu backen. Eine wichtige Erkenntnis, die ich dabei gewonnen habe, ist, dass 80% des Erfolgs beim Brotbacken das korrekte Handling des Teigs ist. “Kneten, aufgehen lassen, in den Ofen werfen, fertig” liefert zwar etwas Essbares, aber es ist halt kein Brot, wie man es vom guten Bäcker kennt. Ich habe mit diesem “Low-Effort”-Ansatz angefangen, kam nicht weiter, und begann dann auf YouTube Videos zum Thema anzusehen – was ich nur empfehlen kann. Mir ging es dabei gar nicht um präzise Rezepte (ich hasse Rezepte, auch wenn unten eines steht), sondern wie man Brot “handhabt” und sonstiges Wissen. Die Kanäle von Lutz Geißler oder Marcel Paa sind erstklassige Anlaufpunkte. Begriffe wie “Stretch and Fold”, “Slap and Fold”, “Rund wirken” usw. bringen zudem gute Suchergebnisse für Details…
In meiner “wilden” Backphase habe ich auch einen Sauerteig gezüchtet, diesen liebevoll gehegt und gepflegt und mit “Horst” meine Brote gebacken. Da Sauerteig aber eine Art biologisches Tamagotchi ist, das ständig betüddelt werden will, starb Horst als sein Herrchen im Urlaub war. Ruhe in Frieden, Horst. Seit diesem schmerzhaften Verlust backe ich Brot nur noch mit Trockenhefe und Sauerteigpulver. Letzteres bekommt man z.B. im Reformhaus oder im Versandhandel. Das Pulver kostet nicht viel und ist wie Trockenhefe sehr lange haltbar. Im Gegensatz zur Hefe ist das Sauerteigpulver aber biologisch inaktiv, also “tot”, und treibt den Teig nicht auf. Es sorgt nur für Geschmack und säuert den Teig leicht, was für Teige mit Roggenanteil wichtig ist, weil es irgendein Enzym im Roggenmehl inaktiviert, welches Teig zu pappig werden lässt. Der Vorteil des Pulver-Ansatzes ist, dass man in 36 Stunden Brot produzieren kann. Der Nachteil … es fühlt sich ein bisschen wie Cheaten an. Aber hey, ich bin kein Bäcker.
Da Brot backen auch viel (inaktive) Zeit in Anspruch nimmt, muss man gut planen. Mein Backprozess fängt am Mittag des Tags vor dem Backtag an – zwei Home Office-Tage hintereinander oder ein Schlechtwetterwochenende sind also optimal. Am Mittag des 1. Tags setze ich einen Poolish an, Abends den Autolyseteig, beides wird später am Abend verknetet und darf über Nacht im Kühlschrank fermentieren. An Tag 2 wird der Teig gegen 12 Uhr aus dem Kühlschrank genommen, geformt, aufgehen gelassen und gegen 16 Uhr gebacken.
Das “Rezept” unten habe ich mit 2% Salz und 80% Wasser auf die gesamte Mehlmenge berechnet. Je nach Wetter und je nach Mehl kann dabei ein sehr weicher Teig oder ein beinahe fester Teig entstehen. Ist der Teig zu weich, einfach noch etwas mehr Mehl unterkneten. Ist der Teig zu fest, etwas Wasser zugeben – das mache ich am liebsten während des Stretch and Fold ganz am Ende… Hierzu die Hände einfach wiederholt sehr sehr sehr nass machen, …
Poolish
ist ein Vorteig, der ähnlich wie ein Sauerteig Geschmack ins Brot bringen und dieses auflockern soll. Er wird aber nur mit Hefe angesetzt, ist nach wenigen Stunden einsatzbereit und säuert den Teig nicht. Für den Poolish…
- 100g Weizenmehl Typ 550 (Protein > 11%)
- 100g kaltes Wasser
- ca. 1,5g Trockenhefe
… in einem ausreichend großen (Vorsicht, das Zeug geht beinahe explosiv auf!) Gefäß glatt verrühren, abdecken (kein Schraubverschluss!) und 4 Stunden an einem warmen Ort gehen/fermentieren lassen. Weitere Hefe braucht es nicht. Wir vermehren quasi die Hefe im Vorteig.
Autolyseteig
Autolyse bedeutet, dass Mehl ohne Salz und Hefe quellen darf. Dabei entwickelt sich der Weizenkleber – ähnlich wie beim Kneten – ungestört von anderen Substanzen von selbst. Der Kleber gibt dem Brot Struktur und fängt v.a. die beim Aufgehen sich bildenden Gärgase ein, was eine lockere Krume mit großen Löchern entstehen lässt. Für den Autolyseteig…
- 100g Roggenvollkornmehl Typ 1150
- 550g Weizenmehl Typ 550
- 500g kaltes Wasser
… in der Küchenmaschine ca. 5 Minuten vermischen. Abdecken. 2 Stunden stehen lassen. Wer will kann mehr oder weniger Roggenmehl verwenden oder alternativ zusätzlich etwas 550er Weizenmehl gegen Weizenvollkornmehl, Dinkelvollkorn, etc. austauschen. Zu beachten ist aber, dass je weniger 550er Weizenmehl in der Mische ist, desto schwieriger wird der Teig zu handhaben und desto weniger geht er beim Backen auf.
Brotteig
Aus den beiden Vorteigen wird nun einer:
- Poolish
- Autolyseteig
- ca. 15 – 20 Gramm Salz (es kommt auf den eigenen Geschmack und das verwendete Salz an. Natürliches Meersalz ist weniger salzig als Steinsalz)
- optional einen gehäuften Esslöffel Sauerteigpulver (oder auch flüssigen Sauerteig aus dem Supermarkt)
… in der Küchenmaschine verkneten. Das kann 10 Minuten dauern. Der Teig sollte den Fenstertest bestehen.
Abdecken. Eine Stunde lang an einem warmen Ort “anspringen” lassen. Wenn der Teig Aktivität zeigt, kommt er abgedeckt über Nacht in den Kühlschrank und darf dabei fermentieren und Geschmack entwickeln.
Stretch and Fold, Pre-Shape & Shape
Wenn ich an Tag 2 das Brot um ca. 16 Uhr backen möchte, gehe ich wie folgt vor:
Um 12:30 nehme ich den Teig aus dem Kühlschrank und mache das erste “Stretch and Fold”-Manöver. Ich drücke vorher das Gärgas nicht aus dem Teig, das macht Stretch und Fold schon selbst. Wenn ich den Eindruck habe, dass der Teig sehr fest ist, arbeite ich hierbei auch etwas zusätzliches Wasser ein. Stretch and Fold-Durchgänge 2, 3 und 4 folgen in 30-Minuten-Intervallen, also um 13:00, 13:30 und 14:00. Da der Teig in der Zeit langsam immer wärmer wird, beginnt er am Ende auch fleißig zu gehen und pustet sich schön auf.
Nach einer weiteren halben Stunde nehme ich den Teig aus der Schüssel und forme den Laib – auf Neudeutsch heißt das Pre-Shape. Hierzu ziehe ich den Teig erst flach auseinander und klappe dann die Ecken in die Mitte und drücke jede Faltung in der Mitte schön fest. Dabei entsteht von selbst eine Art Ball. Den Teigball drehe ich mit dem Schluss nach unten und wirke ihn mit Hilfe einer großen Teigkarte und den Händen rund. Da der Prozess schwer zu beschreiben ist, verweise ich hier explizit auf YouTube.
Ein interessantes Prinzip, das ich in einem Video eines Herrn Richard Bertinet gelernt habe, ist, dass das Brot ein “Oben” und ein “Unten” hat. Diese Erkenntnis fand ich enorm hilfreich. “Unten” ist der unregelmäßige Schluss, diese Seite ist auch oft klebrig. “Oben” ist die prall gespannte Haut auf dem Brot, die auch quasi nicht klebt. Ab nun muss man aufpassen, dass das Oben immer oben bleibt…!
Jetzt 15 Minuten warten. Dabei wird der Teig wieder etwas auseinander laufen.
Ein letztes Mal den Teig rund wirken (“Shapen”) und wieder auf Spannung bringen.

Teig mit etwas Mehl bestäuben (die Oberfläche sollte aber spätestens jetzt nicht mehr kleben) und in ein mit Mehl ausgestäubtes Gärkörbchen setzen. Wichtig: die nicht klebende Oberseite muss im Körbchen unten liegen, der Schluss zeigt nach oben! Das Brot darf nun noch etwa zwei Stunden final aufgehen, bevor es gebacken wird. Die Zeit hängt aber davon ab, wie warm der Teig und wie warm die Küche ist. Im Hochsommer kann eine Stunde zu viel sein, im Winter zwei zu wenig. “Fertig” aufgegangen ist der Teig, wenn man ihn sanft drückt, und die Kuhle nicht sofort zurück springt.

In dieser Zeit passiert auch noch etwas anderes: da das Gärkörbchen luftdurchlässig ist, wird die Haut des Brots auch leicht antrocknen. Das ist gut und gewünscht, da es das Brot nach dem Stürzen in Form hält und das Einschneiden erleichtert. Dennoch ist es gut, das Brot im Korb mit einem Küchentuch abzudecken…
Backen
Gegen 15:00 den Backofen auf 250 Grad vorheizen. Wer hat gibt seinen Brot bzw. Pizzabackstein in den Ofen und heizt den mit auf. Ich stelle auch immer eine alte Pfanne ohne Griff unten in den Ofen. In die kommt später kochendes Wasser für Dampf.
Wenn Stein und Ofen “glühen” nehme ich meist den Stein kurz aus dem Ofen und lasse den zwischenzeitlich schön aufgegangenen Teig vorsichtig aus dem Körbchen auf den Stein plumpsen. Die Oberseite des Brots ist somit wieder wo sie hingehört: oben! Die Kunst dabei ist weder sich zu verbrennen noch den Teig einem zu harten Sturz auszusetzen. Alternativ kann man auch auf ein Backpapier stürzen und das Brot mit einer Pizzaschaufel in den Ofen schieben. Beides hat Vor- und Nachteile. Ich habe heute mal die Backpapier-Methode ausprobiert, der direkte Abwurf auf den Stein ist mir aber lieber…
Das Brot wird nun eingeschnitten. Ich nehme dafür eine Rasierklinge oder Skalpell – irgendetwas das dünn und scharf ist. Ich mache gern vier Schnitte vom der Mitte des Brots zu den Seiten. Die Idee ist, dass mittig noch etwas von der leicht angetrockneten Haut des Teigs uneingeschnitten verbleibt, sodass das Brot nicht zu stark auseinander laufen wird.

Brot in den Ofen schieben. 250ml kochendes Wasser in die Pfanne kippen. Ofen zu. 15 Minuten bei 250 Grad Grad backen. Durch das Einschneiden und den Dampf sollte es dem Teig möglich sein viel Trieb zu entwickeln, also schön aufzugehen.
Nach 15 Minuten wird der Ofen auf 200 Grad runter gedreht. Die Pfanne mit dem Wasser wird aus dem Ofen entfernt. Dabei entweicht auch der vorhandene Dampf. Im trockenen Ofen wird das Brot nun fertig gebacken. Das dauert etwa weitere 35 bis 40 Minuten. Wird das Brot zu schnell zu dunkel, ggf. die Temperatur absenken.
Das Brot ist fertig, wenn es beim von unten drauf klopfen hohl klingt oder 96 – 98 Grad innen heiß ist.

Zugegeben, mein Laib hätte heute fast noch 5 Minuten länger backen können. Ich mag es eigentlich ein bisschen dunkler.

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